New York - 19.10.2023
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- 20. Okt. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Auch heute wiederholt sich das morgendliche Ritual, Wecker um 9 und sobald wir ganz wach sind in den Frühstücksraum runter. Auch heute hat’s noch Bagels. Ein Deutsches Paar hat sich direkt davor gesetzt, fast wie vermutlich am Frühstückstisch zuhause. Und auch heute wird kräftig gekühlt. Ich schraub die Temperatur hoch und stelle die Anzeige auf dem Bildschirm von Fahrenheit auf Celsius um. Mal schauen wer’s merkt.
Wir vertilgen je unsere zwei Bagels, nehmen einen zweiten Kaffi mit und fahren wieder hoch. Heute soll wettermässig der beste Tag der Woche werden. Wir haben für 16 Uhr ein Zeitfenster auf dem Empire State Building reserviert. Auch hier gilt, man muss dann hoch fahren, darf dann aber solange oben bleiben wir man möchte.
Wir haben eine Route aus unserem Reiseführer rausgesucht, die uns von der Brooklyn Bridge zur Chinatown und Little Italy führt. Zuvor wollen wir aber noch zu Fuß über die Brooklyn Bridge wandern, von Ost nach West, also mit Blick auf die Skyline. Dafür nehmen wir so um 11 Uhr die U-Bahn. In knapp einer halben Stunde und mit einmal umsteigen sind wir in Brooklyn. Schnell zieht es uns nochmals an den East River, wo wir letzte Woche abends schon gefötelet haben. Es ist wunderbar warm bei knapp 20 Grad.
Danach suchen wir die Treppe zum Aufstieg zur Brücke. Ein Schild hat’s gar keins. Zum Glück weiß unsere Karten-App weiter. Man könnte auch einfach dem Volk folgen. Wir sind auch hier nicht alleine. Zumindest am Anfang sieht’s nach einer Völkerwanderung aus. Ganz so schlimm ist’s dann doch nicht. Als wir allerdings 2015 hier waren, konnten sich Fußgänger und Radfahrer die Brücke, ein paar Meter über den Fahrbahnen für die Autos, noch teilen. Das geht jetzt definitiv nicht mehr, zu viele Touris strömen über die Brücke. Allesamt mit Handys bewaffnet.
Spannend und amüsant ist zu beobachten, wie die Männer ihre Freundinnen oder Frauen fotografieren müssen/dürfen. Die Damen werfen sich in jede nur erdenkliche, teilweise lächerliche Pose und die Männer knipsen drauf los. Wenn sie Glück haben ist nur ein Foto gefragt. Teilweise verwechseln die guten Damen die Brücke mit einem Laufsteg und stolzieren als vermeintliche Models ein paar Schritte auf und ab. Ihre besseren Hälften haben das dann auf Video festzuhalten. Aber wehe die Damen finden keinen Gefallen an der Aufnahme, dann geht das Theater von vorne los.
Aber eben, eine Aufnahme von der Brooklyn Bridge muss schon sein. Wir sind uns nicht sicher, wieviele nur von Norden her schnell ein paar Meter auf die Brücke marschieren um das gewünschte Foto zu machen. Ein paar professionelle Forografen bieten auch ihre Dienste für gute Fotos an. Vermutlich für diejenigen, die gemerkt haben, dass es mit einem Selfiestick in dem Getümmel doch keine gute Aufnahmen gibt. Der neuste Trends sind offenbar auch wieder Polaroid-Aufnahmen.
New York ist eine coole Stadt zum Fötelen, aber oft auch etwas mühsam. Denn meistens steht uns jemand im Weg oder wir stehen irgendwo im Weg. Es ist ein wenig zu hektisch um sein Bild in Ruhe zusammen stellen zu können. Andererseits schult es das Auge. Wir suchen öfters andere Blickwinkel um nicht die ewig gleichen Fotos zu machen, die alle anderen auch schießen. Und um möglichst wenige Touris in Selfie-Pose mit auf dem Bild zu haben.
Wieder in Manhattan angekommen zieht es uns in einen Pret-a-Manger. Eine Art Starbucks aber mit einer größeren und gesunderen Auswahl an Essen. Frisch gestärkt ziehen wir zwischen den Gebäuden der Stadtverwaltung und den Gerichtsgebäuden hindurch zu Chinatown und Little Italy. Vor einem Gerichtsgebäude haben sich schon ein paar Journalisten in Stellung gebracht. Da uns vorgestern der Herr Trump über den Weg gefahren ist, könnten die gut auf ihn warten.
In Chinatown wird’s wieder lauter und hektisch. Über den Straßen hängen Lampions, ich frage mich ob das eher ist um ein Klischee zu bedienen, und alles ist bilingue angeschrieben. Also Englisch und Chinesisch, sogar die Mitteilungen der Stadt.
Little Italy ist wirklich little, ein paar wenige Stassen nur. Aber gleich geht’s ums Essen und ein Restaurant steht neben dem nächsten, inkl. Gartenbeiz und lauten Gästen. Es riecht aber gut nach Pizza und Pasta und fühlt sich wirklich ein ganz klein wenig nach Italien an.
Mittlerweile ist es nach 15 Uhr. Es hat zwar die eine oder andere Wolke am Himmel, wir fahren aber trotzdem mal mit der U-Bahn zum Empire State Building. Das dauert 25 Minuten. Zu Fuß wäre es eine Stunde, sagt Google Maps.
Beim Empire State Building angekommen plagt mich ein kleineres Hüngerchen. Es ist aber 15.45 Uhr. Wir haben also nur noch eine Viertelstunde Zeit und es ist grad nichts Essbares in der Nähe sichtbar. Da wir nicht wissen, wie genau sie das mit dem Zeitfenster nehmen, beschließen wir den Hunger mit einem Ricola zu besänftigen. Wir hätten allerdings noch gut etwas essen gehen können. Es interessiert sich überhaupt niemand dafür ob wir eine Reservierung haben, geschweige denn für welche Zeit. Es herrscht kein Andrang und daher wäre eine Reservierung wohl gar nicht nötig. Diese werden vermutlich erst wichtig, wenn viele Leute rauf wollen. Uns fällt auf, dass es weder hier, noch beim Flugzeugträger, noch bei the Edge wirklich viele Leute hat/te. Unsere Wartezeiten liegen im Minutenbereich. Offenbar ist in New York nicht Hochsaison. Und trotzdem haben wir den Eindruck, dass es heute auf der Brooklyn Bridge oder gestern beim Times Square (zu) viele Leute hatte. Wie das wohl hier ist, wenn die Stadt wirklich voll ist?!
Auf jeden Fall hat sich die Sonne inzwischen hinter Wolken versteckt, der Himmel zeigt sich mehrheitlich grau. Wir fahren trotzdem rauf. Vielleicht gibt’s dann halt Schwarzweiß-Bilder. Ein erster Aufzug bringt uns nach der obligaten Sicherheitskontrolle in den 80 Stock, ein zweiter rauf in den 86. Die Stadt liegt uns zu Füßen….es zieht kräftig. Im Gegensatz zu the Edge ist die Aussichtsplattform hier nicht mit Glas geschützt. Auf den Brüstungen sind Gitter montiert. Das hat den grossen Vorteil, dass wir nicht durch Glas fötelen müssen, aber eben, dafür zieht ein kühler Wind um die Ecken.
Die Plattform läuft um das Gebäude herum. Gegen Süden blickt man auf die etwas weiter entfernten Wolkenkratzer von Lower Manhattan. Auf der Nordseite stehen die Wolkenkratzer von hier bis zum Central Park. Auch eindrücklich.
Stative sind hier oben verboten. Wir können unsere Kameras aber auf die Brüstung legen. Auf der Südseite haben fünf Fotografen ihren Platz gesichert und ihre Kameras auf ganz kleinen Ministativen auf die Brüstung gestellt. Unbeirrt trotzen die Damen und Herren dem kalten Wind und halten die Stellung bzw. ihren „reservierten“ Platz. Wir stellen fest, dass es sich bei allen Leuten um Deutsche handelt…..wenn sie könnten, hätten sie wohl am Morgen ein Strandtuch über die Brüstung gelegt um den Platz zu reservieren.
Als Fotograf kann ich es teilweise verstehen, sehr sozial und fair ist’s trotzdem nicht. Will man gute Fotos beim Eindunkeln oder bei Nacht machen, muss man den Fotoapparat fixieren können. Das geht hier nun mal nur auf der Brüstung. Mit dem Handy kann man da eher mal über die Köpfe hinweg abdrücken. Und wer nun meint, man sei somit mit den Handys klar im Vorteil der irrt. Das stellt sich spätestens dann heraus, wenn man die Bildqualität von Handy und Kamera vergleicht.
Ich weiß allerdings nicht weshalb die Fotografen grad heute ihren Platz verteidigen. Einen schönen Sonnenuntergang wird’s nicht geben. Man muss kein Meteorologe sein um das festzustellen. Und Leute hat es nicht so viele, da wird immer wieder mal ein Platz an der Front frei.
Da wir die Kamera auf die Brüstung legen können und so auch lange belichten können, beschließen wir zu warten bis es dunkel wird. Gegen den Hunger „hilft“ ein weiteres Ricola. Allerdings warten wir nicht draußen sondern ziehen uns ins Innere des Gebäudes zurück. Diese Idee hatten, mit Ausnahme der tapferen Deutschen, noch andere, weshalb alle Sitzgelegenheiten besetzt sind. Auf den Boden setzen darf man sich nicht….
Um 18.09 Uhr ist Sonnenuntergang. So um 17.45 Uhr gehen wir wieder raus. Wir finden schnell ein Plätzchen Richtung Süden und drücken ein paar mal ab. Dann überlassen wir den nächsten unseren Standort und ziehen weiter, einmal rund um die Plattform. Wir haben alles angezogen, was wir dabei haben und frieren ziemlich. Der Wind zieht ungehindert um die Plattform im 86 Stock.
So um 19 Uhr fahren wir wieder runter. Es ist dunkel und die Szenerie ändert sich nicht mehr groß. Zudem haben wir jetzt wirklich kalt. Unten angekommen schleusen sie uns noch wie üblich durch den Souvenier-Shop mit allerlei Kitsch. Wir brauchen nichts und gehen nach draußen wo es einiges weniger kalt ist als 86 Stockwerke weiter oben.
Das vegane Restaurant von letztem Samstag ist grad um die Ecke. Es war lecker und ist vor allem nicht weit. So richtig aufgewärmt sind wir aber auch danach nicht nicht. Da hilft nur die heisse Dusche.
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